Gedenken

Nguyễn Văn Tú starb am 24. April 1992 nach einen rassistischen Angriff

Nguyễn Văn Tú

Nguyễn Văn Tú kam 1987 als Vertragsarbeiter in die DDR. Nach der Wende verlor er seine Anstellung in Waltershausen im VEB Gummikombinat Thüringen und lebte seit dem von Arbeitslosenhilfe. Ende des Jahres 1992 wollte Văn Tú, auf den in Vietnam fünf Geschwister und seine 70-jährigen Eltern warteten, in seine Heimat zurück, um dort zu heiraten.

Am 24. April 1992 wollte Nguyễn Văn Tú einen Freund besuchen.Beide hatten sich gegen Abend an einem Einkaufszentrum am Brodowiner Ring verabredet. Als Nguyễn Văn Tú am vereinbarten Ort eintrifft, sieht er, wie eine Gruppe deutscher Jugendlicher auf seinen Freund und andere Vietnames*innen, die Textilien und Zigaretten verkaufen, einschlagen und deren Stände zerstören. Nguyễn Văn Tú versucht die Angreifer zu stoppen, stellt einen von ihnen zur Rede. Daraufhin sticht ihm der 21-jährige Maurer Mike Lillge mit einem Butterfly-Messer direkt in die Brust. Zum Zeitpunkt des Überfalls um 17:30 Uhr ist der Platz vor dem Einkaufszentrum voll von Menschen, von denen nicht ein einziger eingreift. Trotz einer Notoperation stirbt Nguyễn Văn Tú nur wenige Stunden später an den Folgen des Lungenstiches in einem Friedrichshainer Krankenhaus, in das ihn Freund*innen gebracht hatten. Er starb im Alter von 29 Jahren.

Am Sonntagabend nach der Tat demonstrierten rund 300 Antifaschist*innen in Marzahn. Einem weiteren Aufruf vonNguyễn Văn Tú’s Freund*innen und der »Vereinigung der Vietnamesen in Berlin« folgten am Donnerstag der Folgewoche 150 Menschen. Für den 3. Mai rief der Verein zu einer weiteren Demo auf, der sich 2000 Menschen anschlossen. Kurz nach der Tat brachten Antifaschist*innen aus dem Bezirk eine Gedenktafel in der Marzahner Promenade an, die an den Mord erinnern sollte. Die Tafel wurde gestohlen und zuvor mehrmals beschädigt.

 

Als Nguyễn Văn Tú’s Mörder vernommen wird, gibt dieser gegenüber den Bullen an, mit der Nazipartei »Deutsche Volksunion« (DVU) zu sympathisieren. Die täten wenigstens etwas gegen Migrant*innen, die »Straftaten« verüben, wie zum Beispiel den Verkauf unversteuerter Zigaretten. Vor Gericht mimte er später den unbedarften Mitläufer. Der Richter schenkte den Unschuldsbekundungen des Mörders Glauben und setzte die von der Staatsanwältin geforderte fünfjährige Haftstrafe auf vier Jahre herunter. Im Urteilsspruch heißt es, die Tat sei zwar »Akt verwerflicher Selbstjustiz«, sei aber »nicht aus Ausländerfeindlichkeit begangen worden«. In einer seltsam anmutenden Denkoperation trennte Ligges Verteidiger die Vorgeschichte, nämlich den Angriff auf die Vietnames*innen, vom Mord ab und kam zu dem Schluss: »Wenn man in diesem Messerstich eine ausländerfeindliche Tat sehen wolle, müsste man sich in den Bereich des Hypnotischen begeben.« Als wäre dies für die im Gerichtssaal anwesenden Freund*innen und Angehörige nicht schon Demütigung genug, unterstellte der Richter Nguyễn Văn Tú, habe den Nazischläger »rechtswidrig angegriffen«.