In Gedenken an Nguyễn Văn Tú

Am 24. April jährt sich der Mord an Nguyễn Văn Tú *, der 1992 im Brodowiner Ring ermordet wurde. Zum Gedenken an wurde der Ort nun wiederholt markiert.

Auch heute, 24 Jahres später, ist die Gegend rund um den Brodowiner Ring wieder Schauplatz alltäglicher rassistischer Gewalt.
Seit 2014 sind in diesem Kiez zwei Lager für Geflüchtete entstanden, in dem auch mehrere Neonazis wie zum Beispiel Rene Uttke und Enrico Stubbe im direkten Umfeld wohnen.
Aber nicht nur hier,sondern in der ganzen Republik häufen sich die Übergriffe und auch die Qualität der Angriffe wird intensiver/radikaler. Es scheint wie in den 90ern nur noch eine Frage der Zeit zu sein, dass bei Brandanschlägen oder Übergriffen Menschen zu Tode kommen werden.
Doch soweit darf es erst gar nicht kommen. Antirassist*innen und Antifaschist*innen müssen sich den aktuellen Ereignissen entschlossen entgegen stellen. Egal ob in Berlin-Marzahn, Dresden oder auch am 7. Mai in Berlin-Mitte.
Hier wollen Faschist*innen und Rassist*innen zum zweiten mal eine„Großdemonstration“ durchführen, von der aus eine Gefahr für alle Menschen ausgeht, die nicht mitteleuropäisch aussehen oder in das Weltbild der ewig Gestrigen passen.

Erinnern heißt Kämpfen

 

*Der Mord an Nguyễn Văn Tú
Der 29-jährige Nguyễn Văn Tú ist am 24. April 1992 in Berlin, um einen Freund zu besuchen. Beide hatten sich gegen Abend an einem Einkaufszentrum am Brodowiner Ring verabredet. Als Tú  am vereinbarten Ort eintrifft, sieht er, wie eine Gruppe weißer deutscher Jugendlicher auf seinen Freund und andere Vietnames*innen, welche Textilien und Zigaretten verkaufen, einschlagen und deren Stände zerstören. Tú versucht die Angreifer zu stoppen, stellt einen von ihnen zur Rede. Daraufhin sticht ihm der 21-jährige Mike Lillge mit einem Butterfly-Messer direkt in die Brust. Zum Zeitpunkt des Überfalls, um 17:30 Uhr, ist der Platz vor dem Einkaufszentrum voll von Menschen, von denen nicht ein einziger eingreift. Trotz einer Notoperation stirbt Tú nur wenige Stunden später an den Folgen des Lungenstiches in einem Friedrichshainer Krankenhaus, in das ihn Freund*innen gebracht hatten.

Nguyễn Văn Tú  war 1987 als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen. Er arbeitete bis zu seiner Entlassung im November 1990 in Waltershausen im VEB Gummikombinat Thüringen. Er starb im Alter von 29 Jahren und hinterließ 5 Geschwister und seine Eltern in Vietnam.

Gedenken
Am Sonntagabend nach der Tat demonstrierten rund 300 Antifaschist*innen in Marzahn. Einem weiteren Aufruf von Nguyễn Văn Tú’s Freund*innen und der»Vereinigung der Vietnamesen in Berlin« folgten am Donnerstag der Folgewoche 150 Menschen. Für den 3. Mai rief der Verein zu einer weiteren Demo auf, der sich 2000 Menschen anschlossen. Kurz nach der Tat brachten Antifaschist*innen aus dem Bezirk eine Gedenktafel in der Marzahner Promenade an, die an den Mord erinnern sollte. Die Tafel wurde gestohlen und zuvor mehrmals beschädigt.

 

Der Täter
Als Nguyễn Văn Tú’s Mörder vernommen wird, gibt dieser gegenüber den Cops an, mit der Nazipartei »Deutsche Volksunion« (DVU) zu sympathisieren. Die täten wenigstens etwas gegen Migrant*innen, die »Straftaten« verüben, wie zum Beispiel den Verkauf unversteuerter Zigaretten. Vor Gericht mimte er später den unbedarften Mitläufer. Der Richter schenkte den Unschuldsbekundungen des Mörders Glauben und setzte die von der Staatsanwältin geforderte fünfjährige Haftstrafe auf vier Jahre herunter. Im Urteilsspruch heißt es, die Tat sei zwar »Akt verwerflicher Selbstjustiz«, sei aber »nicht aus Ausländerfeindlichkeit begangen worden«. In einer seltsam anmutenden Denkoperation trennte Lillges Verteidiger die Vorgeschichte, nämlich den Angriff auf die Vietnames*innen, vom Mord ab und kam zu dem Schluss: »Wenn man in diesem Messerstich eine ausländerfeindliche Tat sehen wolle, müsste man sich in den Bereich des Hypnotischen begeben.« Als wäre dies für die im Gerichtssaal anwesenden Freund*innen und Angehörige nicht schon Demütigung genug, unterstellte der Richter Nguyễn Văn Tú, habe den Nazischläger »rechtswidrig angegriffen«.